Eins meiner Hauptthemen in meinen Seminaren, Workshops und Coachings ist die Stressprävention. Nun hatten wir ja zwei Jahre ziemlich mit Corona zu tun, wo viele im Homeoffice gearbeitet haben, ohne dass sich jemand Gedanken gemacht hat, für wen das gut ist und für wen nicht. Ist beispielsweise die gesamte Familie zuhause, gab es meist Probleme mit dem Internet und nicht jeder hat ein großes Haus oder Wohnung, wo man sich aus dem Weg gehen kann. Nicht selten hatte ich jemanden im Onlineseminar, der im Keller saß, da am Küchentisch die Frau am Laptop war und die Kinder ihren Onlineunterricht hatten. War das stressig? Ja, und zwar für nicht wenige. Andererseits gab es aber auch die Alleinstehenden, die keinerlei Kontakte mit der Außenwelt hatten und deshalb manch eine  oder einer depressive Züge bekam.

Gesundheit? Keine Zeit!

Endlich ist diese Zeit vorbei und was passiert jetzt? Zumindest bei vielen meiner Kunden ist der Stress noch größer als vorher. Der ist sogar so groß, dass sämtliche angebotenen Seminare abgesagt werden müssen, da die Führungskräfte und Mitarbeitenden so sehr verplant sind. Zu viele Meetings, zu viele Projekte, zu viele organisatorische Veränderungen lassen Führungskräfte und Mitarbeiter über ihre Grenzen gehen.

Ein Seminar zur Gesundheit wird für Führungskräfte angeboten: Kurz vor Beginn kommt die Absage. Wir haben zu wenig Teilnehmende, die sind alle zu beschäftigt!!! Was soll man da sagen? Das ist wie mit dem Waldarbeiter, der schwitzend versucht, einen Baum umzusägen. Kommt ein Wanderer vorbei, schaut sich das eine Weile an und sagt, dann. Ihre Säge ist ja ganz stumpf, sie sollten die erst mal schärfen. Keine Zeit meint der Waldarbeiter. So kommt es mir im Moment auch in manch einem Unternehmen vor. Oder mit Worten von Mark Twain: Nachdem sie ihr Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.

Mich erwischt es bestimmt nicht!

Nun sind doch eigentlich gerade Führungskräfte in der Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ihre Mitarbeitenden und sie selbst nicht krank werden. Aber das ist ein Thema, das wird insbesondere in Zeiten wo viel Druck ist, leichtfüßig zur Seite geschoben. Nach dem Motto: Mich erwischt es bestimmt nicht.Das haben schon viele gesagt und dann doch Pech gehabt. Man muss nicht krank werden, aber die Chance wird täglich größer, wenn man nichts dagegen tut. Interessant ist übrigens, dass die meisten ihre Grenzen nicht wirklich erkennen und wenn, dann bagatellisieren sie die bereits bestehenden Symptome. Irgendwann streikt dann aber der Organismus. Es kommt zum Burnout, zur Depression oder anderen Krankheiten.

Diese Krankheiten sind dann in den seltensten Fällen wie bei einer Gruppe nach vierzehn Tagen geheilt. Wer einen Burnout hatte oder eine Depression, schafft es oft nicht mehr, seine alte Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Da muss man sich doch fragen, lohnt sich das? Gibt es irgendein Unternehmen, ein Projekt, eine Aufgabe, für das man seine Gesundheit ruinieren soll? Ich sage immer „Das Unternehmen wird Ihnen nicht in goldenen Lettern auf den Grabstein meißeln, dass sie sich für sie geopfert haben.“ Eher so, man ist draußen und vergessen.  Wenn man mal weg ist, ist man auch schnell vergessen. Da hat sich mancher jahrzehntelang aufgerieben und ist dann innerhalb kurzer Zeit vergessen.

Dafür also die Gesundheit, die Beziehung, die Zufriedenheit und was auch immer einem selbst wichtig ist aufs Spiel zu setzen, darüber würde ich mir aber ernsthaft Gedanken machen.

Führungskraft in der Verantwortung

Wenn keine Zeit mehr ist, sich zurückzuziehen in die Selbstreflexion – wozu ein solches Seminar dient – wenn keine Zeit mehr ist, sich seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern zu stellen, dann sollte man sich ernsthaft fragen, ob man im richtigen Job ist. Als Führungskraft ist man Vorbild für seine Mitarbeitenden. Wenn man es selbst nicht so ernst nimmt mit seiner Gesundheit, dann braucht man sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter sich unter Druck fühlen, es genauso zu machen. Welche Haltung steckt hier dahinter? Sind mir die Menschen nicht wichtig, für die ich verantwortlich bin? Habe ich Angst, zu versagen? Sind mir die Ziele des Unternehmens wichtiger als die Menschen oder meine eigene Gesundheit, Beziehung, mein Wohlbefinden?

Hohe Zunahme psychischer Erkrankungen

Unter Berücksichtigung des akuten Fachkräftemangels ist es besonders dramatisch, dass sich Führungskräfte nicht die Zeit nehmen, innezuhalten und zu überlegen, was konkret getan werden muss, damit die Menschen nicht zusammenbrechen. Denn fällt ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin für mehrere Wochen oder Monate aus, dann liegt die Last auf dem restlichen Team und gefährdet somit die nächsten Personen. Hinzu kommt, dass man nicht sicher sein kann, dass dieser Mensch überhaupt noch einmal wiederkommt. Wenn man bedenkt, dass allein die psychischen Erkrankungen in den letzten 10 Jahren um 41 % zugenommen und die Fehltage in 2021 bei 276 Tagen pro 100 Versicherte betrug (DAK-Studie) dann ist es nicht nachvollziehbar, weshalb dem Thema Stress und Überforderung so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Selbst wenn die Betroffenen wieder in den Berufsalltag eintreten, fällt ihnen die Arbeit schwerer als zuvor und die Gefahr einer erneuten Erkrankung hängt wie ein Damoklesschwert über dem Menschen.

Machen Verantwortliche in Unternehmen hier einfach die Augen zu? Sind sie selbst permanent so überfordert, dass sie überhaupt nicht wahrnehmen, was in ihrem Unternehmen, bei ihrem Team passiert? Und warum fordern Mitarbeitende nicht das Recht ein, Maßnahmen zu ihrer Gesundheit wahrnehmen zu dürfen? Es hilft doch nichts, wenn ein tolle Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, wenn keiner Zeit hat, hinzugehen. Vielleicht ist ja der gute Wille da, aber an der Umsetzung hapert es. Zu wenig Verbindlichkeit, zu wenig Wahrnehmung für die Realität?

90 Minuten pro Woche in die Entwicklung der persönlichen Kompetenz investieren

Auf unserem Coachify.online Portal haben wir verschiedene Leadership-Coaching-Challenges eingestellt. Hier treffen sich 3-5 Personen wöchentlich über einen Zeitraum von ca. 12 Wochen. Das können auch mehr werden, wenn Ferien etc. eingerechnet werden müssen. Einmal pro Woche treffen sich diese Personen und tauschen sich in der Gruppe zu ihren persönlichen Themen z.B. Gesund Führen aus. Auf unserer Plattform erhalten sie umfangreiche Informationen, was sie konkret tun können, um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Mitarbeiter zu fördern. Die Peergruppe besteht hier beispielsweise aus Führungskräften, die alle das gleiche Thema haben, nämlich die Fürsorge und Verantwortung zur Gesundheitsprävention für ihre Mitarbeitenden. Der Vorteile der Peergroup: Sie können ihre Ziele aus den einzelnen Sessions sofort in der kommenden Woche umsetzen. Ein Konzept, das Nachhaltigkeit anstrebt. Hinzu kommt ein enger persönlicher Austausch, der intensiver als in einem Seminar sein kann. Nur ist dies ein Konzept, das viele noch nicht wirklich ausprobiert haben. Erfordert es doch, dass man sich eine oder anderthalb Stunden in der Woche Zeit nimmt, um seine Führungskompetenzen zu erweitern. Vielleicht muss da der eine oder andere noch schnell vorher ein Zeitmanagementseminar besuchen.

Neunzig Minuten pro Woche in seine Führungskompetenz zu investieren kann doch nicht zu viel sein.

Nun erlebe ich zur Zeit, dass sich Führungskräfte weder für ein Seminar noch neunzig Minuten in der Woche Zeit nehmen, sich mit ihrer Führungskompetenz zu befassen. Da frage ich mich doch, womit sie ihre Zeit verbringen? In Meetings? In Projekten? Was macht eine Führungskraft, wenn sie nicht führt? Wenn sie sich nicht die Zeit für persönliche Gespräche nimmt? Wenn sie nicht weiß, was bei den Mitarbeitenden los ist, ob es denen gut geht oder nicht?

Bist du eine Führungskraft? Dann frage dich, für welche der folgenden Aufgaben du dir zu wenig Zeit nimmst:

  1. Kommunikation: Kommunizierst du klar und effektiv mit deinen Mitarbeitenden, um Erwartungen und Ziele zu setzen?
  2. Motivation: anerkennst du die Leistungen deiner Mitarbeitenden? Wie machst du das und wie oft, in welchen Situationen?
  3. Arbeitsumfeld: Was machst du konkret, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, indem die Mitarbeitenden ihre Fähigkeiten einbringen können und sich wohlfühlen?
  4. Delegation: Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten delegierst du, um deine Mitarbeitenden zu befähigen und zu fördern? Oder weißt du, das du viel zu viel selbst machst? Dann wird es Zeit, abzugeben. Notiere dir all deine Aufgaben jeweils auf einen Zettel. Dann mache drei Spalten. Spalte A sind Aufgaben, die kannst nur du machen, Spalte B sind Aufgaben, die können auch andere Mitarbeitende machen und Spalte C sind Aufgaben, die entweder nicht mehr nötig sind oder ganz woanders hingehören.
  5. Konfliktlösung: Erkennst du Konflikte zwischen Mitarbeitern und weißt du, wie du sie unterstützen kannst, damit sie ihre Konflikte selbst lösen? Wann musst du einhaken, wann sollen die anderen ihre Konflikte selbst lösen? Wer braucht dazu welche Kompetenzen?
  6. Mitarbeiterentwicklung: Wie förderst du deine Mitarbeitenden? Welche Möglichkeiten bietest du ihnen an, damit sie sich weiterentwickeln können? Dürfen diese sich auch die Zeit nehmen oder werden Veranstaltungen gestrichen, weil es immer etwas Wichtigeres gibt? Das gleiche gilt natürlich für dich selbst. Ist für dich deine eigene Kompetenzentwicklung wichtig, bist du es dir wert, dass du dich deiner persönlichen Entwicklung beschäftigst?
  7. Zielsetzung: Wie setzt du die Ziele für dein Team und Einzelne? Sind diese angepasst an die Bedürfnisse, Fähigkeiten, Kenntnisse und Entwicklungswünsche der Mitarbeitenden und den Zielen des Unternehmens?
  8. Fürsorgeverantwortung: Was tust du konkret, um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen? Welche Präventionsmaßnahmen werden durchgeführt? Wie werden die Mitarbeiten dazu einbezogen? Nur gesunde Mitarbeitende sind leistungsfähig, kreativ und bringen das Unternehmen auf Dauer voran.
  9. Planung und Organisation: Wie planst und organisierst du Projekte? Sind diese im Einklang mit den Befähigungen der Mitarbeitenden? Sind diese zeitlich machbar? Achtest du darauf, dass du dein Team damit nicht überforderst? Stellst du alle Arbeitsmaterialen etc. zur Verfügung, damit die Arbeitsabläufe reibungslos verlaufen?
  10. Verantwortlichkeit: Wofür konkret übernimmst du die Verantwortung? Gegenüber deinem Vorgesetzten, dem Unternehmen, deinen Mitarbeitenden? Wie triffst du Entscheidungen? Beziehst du die Beteiligten mit ein? Werden diese gehört und verstanden? Achtest du dabei darauf, dass diese nicht überfordert werden?
  11. Vorbildfunktion: Siehst du dich als Vorbild für dein Team? Wie möchtest du von ihnen gesehen werden? Was tust du konkret, um deinen Mitarbeitenden ein Vorbild zu sein? Wie sieht es mit deiner Work-Life-Balance aus? Deinem Zeitmanagement etc.? Was können die andern von dir lernen, um zufrieden und leistungsfähig zu sein?
  12. Selbstfürsorge: Was machst du konkret, um Stress zu minimieren, genug Zeit für deine privaten Dinge zu haben, für die Familie, Sport und und und. Wie gut kannst du entspannen und wo holst du dir wieder neue Kraft her?

Wie gut konntest du die Fragen beantworten? Wie fühlt das sich jetzt für dich an? Hast du dich vielleicht dabei ertappt, dass du das eine oder andere in der letzten Zeit vernachlässigt hast? Dann hast du jetzt die Chance, etwas zu ändern. Gerne kannst du den Podcast auch auf meiner Webseite als Blogbeitrag lesen oder ihn einfach nochmal anhören, wenn dir das eine oder andere zu schnell ging.

Fürsorgepflicht ist nicht einfach nur ein Begriff, sondern eine Verantwortung. Und als Führungskraft sollte dies oben auf deine Wertigkeitsskala stehen. Nichts ist wichtiger denn unsere Gesundheit. Und um diese zu behalten, können wir einiges tun. Wer unter Dauerstress lebt, wird irgendwann einmal krank. Und wenn dann das Kind erst mal in den Brunnen gefallen ist, ist es zu spät. Also Vorsorge treffen, sich schlau machen, welche Möglichkeiten der Prävention es gibt und sich mit Psychologie befassen. Beispielsweise in einem Seminar oder mit einer Peergroup aus Gleichgesinnten in unserer 12wöchigen Leadership-Coaching-Challenge mit einem professionellen Coach als Begleitung.

Ich denke, du setzt dir täglich Ziele, um deine großen Ziele zu erreichen. Setze dir das Ziel, deine und die Gesundheit deiner Mitarbeitenden zu fördern, bevor du oder dein Team ausbrennt.

Diesen Artikel gibt es auch als Podcast bei „HeckenGespräche“ oder auf meinem YouTube-Kanal.