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Selbstliebe lernen – wie wir uns selbst wirklich annehmen können

Selbstliebe ist die Grundlage für innere Stärke, Zufriedenheit und ein erfülltes Leben. Doch vielen fällt es schwer, wirklich liebevoll mit sich selbst umzugehen. Statt uns so zu akzeptieren, wie wir sind, stellen wir uns und unser Leben infrage: unser Aussehen, unsere berufliche Rolle, unsere Entscheidungen, ja sogar unsere Gefühle. Dieses ständige Hinterfragen lässt uns oft das Gefühl zurück, nicht „genug“ zu sein.

Warum fällt es uns so schwer? Zum einen, weil wir von klein auf lernen, uns an äußeren Maßstäben zu messen: gute Noten, eine erfolgreiche Karriere, ein attraktives Aussehen. Zum anderen, weil wir unsere innere Welt – unsere Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse – oft vernachlässigen. Doch genau dort beginnt Selbstliebe: bei der ehrlichen und wertfreien Wahrnehmung dessen, was in uns geschieht.

Gefühle bewusst wahrnehmen

Viele Menschen sind nicht geübt darin, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Das merke ich in meinen Seminaren, wenn ich morgens frage: „Wie fühlst du dich gerade?“ Die Standardantwort lautet oft schlicht „gut“. Doch Gefühle sind viel differenzierter. Neben Freude und Traurigkeit gibt es ein breites Spektrum:

  • Positive Gefühle: Freude, Dankbarkeit, Begeisterung, Zufriedenheit, Liebe
  • Schwere Gefühle: Traurigkeit, Einsamkeit, Sehnsucht, Enttäuschung
  • Aktivierende Gefühle: Wut, Ärger, Frustration, Mut, Entschlossenheit
  • Verletzliche Gefühle: Angst, Unsicherheit, Scham, Nervosität
  • Ausgleichende Gefühle: Ruhe, Gelassenheit, Hoffnung, Erleichterung

Indem wir Gefühle benennen, geben wir ihnen Raum und nehmen uns selbst ernst. Es geht nicht darum, nur „positive“ Gefühle zuzulassen, sondern alle wahrzunehmen – ohne sofortige Bewertung.

Praktische Schritte zur Selbstliebe

  1. Gefühle wahrnehmen und benennen
    Schreibe dir täglich auf, wie du dich fühlst. Nutze dafür eine größere Vielfalt an Gefühlswörtern als nur „gut“ oder „schlecht“.
  2. Innere Freundlichkeit üben
    Behandle dich wie einen guten Freund oder eine gute Freundin. Wenn du scheiterst, erinnere dich: „Fehler machen ist menschlich – ich darf daraus lernen.“
  3. Kleine Erfolge feiern
    Statt nur auf das zu schauen, was fehlt, lenke deine Aufmerksamkeit auf das, was dir gelungen ist – und feiere auch die kleinen Fortschritte.
  4. Achtsame Routinen
    Baue Momente in deinen Alltag ein, die nur dir gehören – ein Spaziergang, eine Tasse Tee in Stille, Journaling oder Atemübungen.

Beispiele aus dem Alltag

  • Julia – Berufliche Selbstzweifel
    Julia arbeitet in einem großen Unternehmen. Obwohl sie fachlich sehr kompetent ist, fühlt sie sich oft unsicher und denkt, ihre Kollegen seien besser. Als sie begann, ihre Gefühle aufzuschreiben, merkte sie: hinter dem Gefühl der Unsicherheit steckt die Angst, nicht gesehen zu werden. Heute kommuniziert sie offener, bittet um Feedback und hat gelernt, sich selbst für ihre Erfolge mehr Wertschätzung zu geben.
  • Markus – Der Blick in den Spiegel
    Markus mochte seinen Körper nicht. Jedes Mal, wenn er in den Spiegel sah, fand er etwas, das ihm nicht gefiel. Mit einer Übung begann er jeden Morgen, eine Sache zu benennen, für die er dankbar war – zum Beispiel: „Meine Beine tragen mich jeden Tag durch mein Leben.“ Nach einigen Monaten spürte er eine ganz neue Dankbarkeit für seinen Körper.
  • Sabine – Gefühle benennen lernen
    Sabine antwortete jahrelang auf die Frage nach ihrem Befinden mit „gut“. In einem Seminar lernte sie, Gefühle genauer zu beschreiben. Beim nächsten Mal sagte sie: „Ich fühle mich heute angespannt, aber gleichzeitig neugierig.“ Allein das Aussprechen veränderte etwas: Sie fühlte sich ernst genommen – von sich selbst und von anderen.
  • Thomas – Grenzen setzen
    Thomas war immer für andere da, sagte selten „nein“ und fühlte sich ausgelaugt. Erst als er begann, seine Gefühle von Überforderung und Erschöpfung bewusst wahrzunehmen, merkte er, dass er seine Grenzen klarer kommunizieren musste. Heute sagt er öfter: „Ich kann das gerade nicht übernehmen“ – und fühlt sich dadurch leichter und respektvoller mit sich selbst.
  • Martha – Mutterrolle und Selbstliebe
    Martha, Mutter von zwei Kindern, fühlte sich oft schuldig, wenn sie Zeit für sich beanspruchte. Sie dachte, eine „gute Mutter“ müsse immer verfügbar sein. Als sie anfing, regelmäßig kleine Auszeiten für sich zu nehmen, bemerkte sie: Je besser sie auf sich selbst achtet, desto präsenter und liebevoller kann sie für ihre Kinder da sein.

Diese und ähnliche Beispiele höre ich immer wieder in meinen Seminaren oder im Coaching. Wie schwer es vielen fällt, Gefühle zu benennen, fällt meinen Teilnehmern bei unseren Check-in und Check-out-Runden auf. Da dürfen sie nämlich am 2. Tag das Wort “gut” nicht mehr einsetzen, sondern lernen, in sich hineinzuführen und einen Begriff zu finden. Wo du das gerade liest: welches Gefühl hast du dabei?

Fazit

Selbstliebe ist kein Zustand, den wir einmal erreichen und dann „haben“. Sie ist ein Prozess, der aus vielen kleinen Schritten besteht: Gefühle wahrnehmen, innere Freundlichkeit entwickeln, Grenzen setzen, Dankbarkeit üben.

Indem wir lernen, unsere Gefühle zu benennen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen, bauen wir Stück für Stück eine liebevolle Beziehung zu uns selbst auf. Wir erkennen: Ich bin genug – so wie ich bin.

Hier ein paar Übungen. Weitere findest du in meinem LifeLab.

Übungen für mehr Selbstliebe im Alltag

1. Gefühls-Tagebuch

  • Schreibe jeden Abend drei Gefühle auf, die du tagsüber hattest.
  • Ergänze, in welcher Situation sie aufgetreten sind und wie du darauf reagiert hast.
  • Ziel: deine Gefühlswelt besser kennenlernen und differenzierter ausdrücken können.

2. Der liebevolle Spiegelblick

  • Stelle dich morgens für eine Minute vor den Spiegel, schau dir bewusst in die Augen und sage dir:
    „Ich bin genug, so wie ich bin.“
  • Am Anfang kann es ungewohnt wirken, doch mit der Zeit stärkt es die positive Selbstwahrnehmung.

3. Dankbarkeits-Übung

  • Schreibe dir jeden Abend drei Dinge auf, für die du dankbar bist – und zwar speziell an dir selbst (z. B. „Ich habe heute geduldig mit meinem Kind gesprochen“ oder „Ich habe mir eine Pause gegönnt“).
  • Ziel: den Blick weg von Defiziten, hin zu deinen Stärken lenken.

4. Achtsame Atempause

  • Setze dich 1–2 Mal am Tag für eine Minute hin, schließe die Augen und atme bewusst ein und aus.
  • Konzentriere dich auf den Atem und frage dich danach: „Wie fühle ich mich gerade?“
  • So trainierst du, deine innere Stimme zu hören.

5. Die „Nein“-Übung

  • Überlege dir eine kleine Situation, in der du bewusst „nein“ sagen kannst, auch wenn es dir schwerfällt.
  • Beispiel: Eine Einladung absagen, wenn du Ruhe brauchst.
  • Ziel: lernen, deine Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren.

6. Gefühlswortschatz erweitern

  • Schreibe dir eine Liste mit 20–30 Gefühlswörtern (Freude, Gelassenheit, Neugier, Unsicherheit, Frust, Erleichterung …).
  • Nutze diese Liste, um deine täglichen Gefühle genauer zu benennen.
  • Ziel: deine emotionale Wahrnehmung zu verfeinern und dich selbst besser zu verstehen.

7. Freundschaft mit dir selbst

  • Stell dir vor, dein bester Freund oder deine beste Freundin würde in deiner Situation sein.
  • Frage dich: „Was würde ich ihm/ihr raten?“ – und sage das anschließend dir selbst.
  • Diese Technik stärkt Selbstmitgefühl und löst die oft harte innere Kritik.

8. Der „Ich feiere mich“-Moment

  • Nimm dir jeden Abend 1 Minute, um einen kleinen Erfolg des Tages zu feiern.
  • Das kann winzig sein: „Ich bin heute trotz Müdigkeit spazieren gegangen“ oder „Ich habe mir etwas Gutes zu essen gekocht.“
  • Ziel: Selbstwertgefühl durch kleine Anerkennungen stärken.

✨ Wichtig: Wähle am Anfang eine oder zwei Übungen, die dir leichtfallen, und übe sie regelmäßig. Nach und nach kannst du weitere integrieren, sodass Selbstliebe zu einem natürlichen Bestandteil deines Alltags wird.